Drohnenaufnahme im Bereich „Sachsenhäuser Brücke“
Drohnenaufnahme im Bereich „Lahnstraße“
Mit dem Jahresbeginn 2018 war die Stadt Giessen von einem außergewöhnlichen Hochwasserereignis betroffen.
Dauerregen, wassergesättigte Böden und auch ein wenig Schneeschmelze ließen die Lahn auf ein ungewöhnliches Maß anschwellen.
Ein Blick auf die erreichten Pegelstände, Abflussmengen und Ausdehnungen des Wasserspiegels deutete auf ein statistisch gesehen „zehnjährliches Hochwasser“ hin.
Dass die Bewohner der Stadt nur wenig davon mitbekommen haben und das Ereignis schadfrei und in „aller Ruhe“ an der Stadt vorübergezogen ist, war nicht zuletzt dem schnellen Eingreifen des städtischen Krisenstabs und den über die vergangenen Jahre erarbeiteten Hochwasserschutz - Vorkehrungen zu verdanken.
Die Mitarbeiter der MWB waren mit Ihren Kollegen der Feuerwehr und von städtischen Ämtern, wie Ordnungsamt und Tiefbauamt Tag und Nacht mit großem Personalaufwand und umfangreichen technischem Gerät im Einsatz, um die Sicherheit der Bürger zu gewährleisten und drohende Schäden an Fahrzeugen und den Gebäuden in der Stadt abzuwehren.
Einen besonderen Beitrag zum Hochwasserschutz der durch die eigene topografische Tieflage in der Vergangenheit des Öfteren überfluteten Weststadt, leisteten der Weststadtdeich und die dazugehörigen Hochwasserpumpwerke. Hier konnte der zerstörerische Einfluss des hohen Lahnpegels komplett abgewendet werden. Auch Betrieb und Sicherheit der Kläranlage in der Lahnstraße wurden trotz der großen Wassermengen von den Mitarbeitern der MWB gemeistert.
Mit dem Rückgang des schlammigen Wassers folgten umfangreiche Aufräum- und Reinigungsarbeiten, die die Einsatzkräfte noch tagelang in Anspruch genommen haben.
Nach Hochwasser werden noch immer Spuren und Schäden beseitigt
Von Stephan Scholz
GIESSEN - Es knackt und kracht, als der Greifer den Baumstamm langsam anhebt. Zentimeter für Zentimeter löst sich das Wurzelwerk aus dem kleinen Hang an der Wieseck, in dem der stattliche Baum keinen Halt mehr gefunden hat. Denn das Hochwasser des Flüsschens hat das Wurzelwerk dermaßen unterspült, dass er einfach ins Wasser gefallen ist. Die Männer der Mittelhessischen Wasserbetriebe (MWB) haben keine Wahl: Mit Kettensäge und schwerem Gerät werden Stamm und Äste zerkleinert und im Container abtransportiert. Dieses Bild ist jedoch nur eine Facette der Aufräumarbeiten nach dem Hochwasser, die auch die MWB derzeit an Lahn und Wieseck leisten. "Unterführungen müssen gereinigt werden. Überall liegen Geröll und umgeknickte Bäume", beschreibt Arno Schäfer, Leiter des Betriebshofs der Wasserbetriebe, die aktuelle Lage bei sinkenden Pegeln.
Mit MWB-Mitarbeiter Frank Pfeifer unterwegs an der Lahn. Auch hier hat sich das Wasser mittlerweile wieder zurückgezogen, wobei allerdings auch die Spuren deutlich sichtbar werden, die es am und im Fluss hinterlassen hat. "Mit dem Treibholz werden wir wohl noch länger zu tun haben", sagt Pfeifer mit Blick auf die Sachsenhäuser Brücke. Allerdings seien Aktionen beim derzeitigen Wasserstand noch zu riskant. Aktuell haben seine Kollegen dagegen vor allem die Wege am Ufer im Blick, die noch vor Kurzem völlig überflutet waren.
Uferwege
Sie sind mit einer dicken Schlammschicht überzogen, die nicht trocken werden darf, weil sie sich sonst nur noch schwer entfernen lässt. Doch auch jetzt ist der Schlamm äußerst hartnäckig: Per Hochdruckreiniger wird der Gehweg in Zentimeterschritten freigespült, um ihn für Fußgänger zügig wieder nutzbar zu machen.
Im Gewerbegebiet West spannt sich das Stahlseil am Kran langsam und hebt eine mächtige Pumpe aus dem Kanal. Unter dem Parkplatz des anliegenden Supermarktes war sie eingesetzt, um Überschwemmungen in dem Areal zu verhindern. Der Strom kommt von einem großen Aggregat, das die Mitarbeiter der MWB samt Pumpe nun abbauen. Keine einfache Aufgabe, denn die 200er-Rollschläuche haben ordentlich Gewicht und müssen von einer ganzen Reihe Arbeitern gehalten werden, um die große Pumpe sicher zu demontieren. Alle diese Nacharbeiten, zu denen auch die Kontrolle und Wartung der großen Rückhaltebecken gehört, laufen zügig, denn "wir wissen nicht, wann das nächste Hochwasser kommt", erklärt Schäfer, der den Hochwasserschutz samt Rückhaltebecken mit seinen Leuten das ganze Jahr über im Blick hat.
Bei einer entsprechenden Prognose wird es einige Tage vor einem Hochwasser jedoch akut: "Die Radwege unter anderem an der Lahn und die Unterführungen müssen gesperrt werden", berichtet Hans Georg Künzel von den Mittelhessischen Wasserbetrieben. Fluttore werden aufgestellt und diesmal etwa auch der Bahndammdurchstich Richtung Flussstraßenviertel mit Erde angeschüttet. Auch warne man Besitzer und Nutzer von Tiefgaragen an der Wieseck. Für die Mitarbeiter der Wasserbetriebe bedeutet eine solche Situation: Bereitschaft. Ab Hochwasserstufe 2 sind die MWB Teil des Krisenstabes unter Leitung der Berufsfeuerwehr, dem neben den Ordnungsbehörden etwa auch das Gartenamt angehört
Er selbst habe schon einen Wasserstand von 7,40 Metern an der Lahn erlebt, denkt der Betriebsleiter an das Hochwasser von 1984 zurück. "Seitdem hat sich sehr vieles getan", betont Schäfer. Exemplarisch verweist er auf die Rückhaltebecken an der Lahn mit großen Kapazitäten. Auch gebe es heute viele Pumpstationen und zahlreiche mobile Pumpen. Man sei nun in der Lage, vieles zu beeinflussen, betont der Betriebsleiter. Unter anderem verweist er in diesem Zusammenhang auch darauf, dass die MWB in Sachen Strom ziemlich autark seien. "Entweder wir produzieren ihn selbst oder wir setzen Dieselkraftstoff ein", resümiert Schäfer.
(Gießener Anzeiger vom 12.01.2018)